Chikyû Misaki
("Erde Misaki")ist ein recht interessanter
Abenteuer-Manga, der recht Vieles zu versprechen
scheint.
Die vierzehnjaehrige
Makishima Misaki zieht mit ihrem Vater, ein
Wissenschaftler nach Hohoro, einem fiktiven Oertchen
in Hokkaido. Sie ziehen in das Haus, in welchem Misakis
verstorbene Mutter ihre Kindheit verbracht hatte. Gleich bei
der Ankunft in ihrer neuen Bleibe macht Misaki Bekanntschaft
mit der attraktiven Rechtsanwaeltin Nishioka Aoi, die
ein enges Verhaeltnis zu Vater Makishima zu pflegen scheint,
ein nach Misakis Geschmack eindeutig zu enges
Verhaeltnis.
Das Staedchen Hohoro liegt an einem Kratersee, in welchem
angeblich
ein nessieartiges Ungeheuer hausen soll. Das erklaert
Misakis neue Freundin Ôkouchi Sanae, mit
welcher sie gleich am ersten Schultag Bekanntschaft macht.
"Hohopo" soll das Nessie heissen. Auf dem Weg nach
Hause fallen Hohopo-Plüschtiere vom Himmel; eines
trifft Misaki am Kopf. Verärgert macht sie sich auf die
Suche nach dem vermeintlichen Lausbub, der aus dem
Gebüsch auf beide Mädchen zielt. Gerade auf der
Suche rutscht Misaki einen Schneehang hinunter und
fällt beinahe in den eiskalten See; in letzter Sekunde
wird sie von Hohopo höchstpersönlich gerettet.
Misaki und Sanae können ihren Augen nicht trauen:
Hohopo ist nicht bloss ein reines Gerücht. Nein, es
gibt die Kreatur wirklich, und es ist sehr anhänglich
und scheint besonders Misaki zu mögen. Als beide
Mädchen sich dann von Hohopo verabschieden wollen,
kommt es noch zu einer sehr bizarren Begebenheit: Hohopo
küsst blitzschnell Misaki und verwandelt sich in einen
kleinen Jungen mit blonden Haaren. Misaki und Sanae sind
noch mehr verwirrt. Wie ist denn das nur möglich?
Die beiden Mädchen beschliessen, den Jungen/die Kreatur
zu adoptieren. Wohnen soll der Junge nun bei Misaki; Sanae
hat bereits kleine Geschwister und schenkt dem
"schnuggeligen" Jungen (Zitat von Sanae) einige Kleider. Bei
sich zu Hause trifft Misaki auf ihren Vater, der mit der
Anwältin Aoi sich gerade den Film Matrix
anschaut. Als Aoi fragt, wer denn der Junge sei,
antwortet ihr Misaki, es würde sich um ein uneheliches
Kind von Vater handeln, während eines
Aufenthaltes in einem Flüchtlingslager in Sarajevo
erzeugt. Natürlich sagt Misaki dies bloss, um Aoi zu
schockieren (sehr zu Beunruhigung ihres Vaters), doch sie
ignoriert die etwas gar phantasievolle Ausrede Misakis und
fragt gleich nach dem Namen des Jungen. Misaki gerät
ins Schwitzen, hat dann aber doch eine Lösung bereit:
"Neo" würde der Kleine heissen ...
Und so kommt es, dass Neo ab diesem Tag bei Misaki wohnt.
Den Kleinen zu unterhalten ist für Misaki und Sanae ein
ganz schön schwieriger Job: Neo denkt immer noch wie
Hohopo, also wie ein Tier: Beide sind eins miteinander.
Deshalb kann Neo auch nicht sprechen, und stubenrein ist er
erst recht nicht. Vater Makishima und Nishioka Aoi vermuten,
dass mit dem Jungen was nicht stimmt, fragen aber
zunächst Misaki nicht nach der genauen Herkunft des
jungen Blondschopfes.
Vor einer Weile geschah in der Großstadt eine
spektakuläre Entführung: Die vierzehnjährige
Asai Tokuko, Tochter eines Schwerindustriellen, wurde
zusammen mit ihrer Klavierlehrerin Fujikawa Reiko
gekiddnappt. Die Entführer verlangten über 2 Bio.
Yen Lösegeld. Der Vater bezahlte die Summe und Tokuko,
aber der Polizei ist es nicht gelungen, die Entführer
dingfest zu machen. Mittlerweile fliegen die Entführer,
darunter der Chef des Coups, Tokukos Klavierlehrerin (!)
(welche Tokuko hinters Licht geführt hatte) mit einer
Chessna samt dem Zaster nach Hokkaido, wo sie wegen eines
Schneesturmes abstürzen. Reiko kann in letzter Sekunde
die Beute von der Chessna aus in den See versenken, damit
die Polizei die Beute nicht entdecken würde....
Als Reiko wieder zu sich kommt, befindet sie sich in der
Hütte eines grimmigen Waldarbeiters, der vielleicht der
Kontaktmann in Hororo sein könnte, den Reiko und ihre
Mannen treffen wollten. Zur gleichen Zeit sucht die junge
Tokuko ihre ehemalige Klavierlehrerin, um sich an der
Frau zu rächen, die ihre Gefühle misbraucht hat.
Aber was haben diese beiden Vorfälle mit Misaki, Sanae
und Neo zu tun? ...
Mit
Chikyû Misaki präsentiert der Zeichner Iwahara
Yûji sein dritter Manga, das wie die beiden
anderen ebenfalls in der Zeitschrift Gekkan Shônen
Ace (bekannt u.a. für Sadamotos Evangelion)
erscheint. Iwahara hat die Begabung, sehr durchdachte und
spannende Abenteuergeschichten dem Leser auf erfrischende
Art und weise zu präsentieren. Dabei spielt Iwaharas
Zeichenstil eine grosse Rolle: Er verzichtet auf eine starke
Schattierung seiner Personen und Hintergründe,
gebraucht wenige Screentones und bevorzugt grosse
Flächen mit schwarzer Tusche, was sein Stil in die
Nähe desjenigen eines Ariga Hitoshi (The Big
O) rückt und beinahe an einem "Film Noir" als Manga
erinnern. Gleichzeitig beinhaltet Iwaharas Stil eine Art
Dynamik in der Linienführung, die an Zeichner wie
Ashinano Hitoshi (Yokohama Kaidahshi Kikou) erinnern,
sein Stil eher in eine Richtung des "Cartoon" rückt.
Dieser interessante Mix und die abenteuerliche Geschichte,
die sich hervorragend für einen spannenden Film aus dem
Hause Hollywood eignen würde, machen Chikyû
Misaki unbedingt für all diejenigen Leser zum
Geheimtipp, die für Neues immer aufgeschlossen sind und
bereits ein gewisses Mass an Japanisch beherrschen (zwar
erscheint der Manga im Gekkan Shounen Ace, aber trotz des
Namens des Magazins handelt es sich bei Chikkyû Misaki
nicht um einen traditionellen Shounen-Manga, sondern eher um
eine Abentuergeschichte für ältere Leser, die was
Neues suchen. Demzufolge sind hier praktisch keine
Furigana zu finden). Nur zu schade, dass jährlich
nur zwei Bände erscheinen.
©Iwahara
Yûji/Kadokawa Shouten
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Text©Yaniv
Tempelman (April 2002)
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